Durch die Verbesserung aktiver und passiver Sicherheitssysteme hat sich die Zahl der tödlichen Unfälle in den letzten Jahren deutlich reduziert. Trotzdem sterben täglich 15 Menschen auf deutschen Straßen. Zwei Drittel aller Getöteten im Straßenverkehr sterben bei lateralen Kollisionen, obwohl diese nur ein Drittel der Gesamtheit der Unfälle ausmachen. Die beim Seitenaufprall am häufigsten betroffene Region ist der Thorax, in dem lebenswichtige Organe wie das Herz, die Lunge und die großen Gefäße liegen. Anhand von Crashtests und Crash-Simulationen wird an der Optimierung der Insassensicherheit gearbeitet. Dummys und ihre numerischen Modelle geben die Realität nur in beschränktem Maß wider. Durch Einsatz numerischer Modelle des Menschen können die dadurch vorhandenen Lücken geschlossen werden. Innerhalb des EU-Projekte HUMOS und HUMOS2 wurde ein numerisches Mensch-Modell für die Crash-Simulation entwickelt. Anhand dieses Modells wird in der vorliegenden Arbeit, im Vergleich mit dem Modell eines Seiten-Aufprall-Dummys untersucht, ob sich eine vorzeitige Belastung des Beckens positiv auf den Thoraxbereich auswirken und so zu einer Reduzierung der Verletzungschwere führen kann. Um eine Grundlage für diese Untersuchung zu schaffen, wird der Thorax des Mensch-Modells HUMOS zunächst validiert. Dabei wird gezeigt, dass die Simulation mit dem validierten, sitzenden 50%-HUMOS-Modell die lateralen Schlittenversuche, die von der National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA) mit Leichen durchgeführt wurden gut repräsentieren kann. In einer ähnlichen Schlitten-Konfiguration wird anschließend das Menschmodell HUMOS mit dem Modell des Dummys verglichen. Es werden zwei verschiedene Kontaktbarrieren gewählt - eine flache und eine gestufte Barrierenform. Bei der gestuften wird das Becken der Modelle vorzeitig belastet. Bei der Analyse der Ergebnisse lassen sich mit dem Mensch-Modell wie dem Dummy-Modell ähnliche Tendenzen feststellen. Bei den Verletzungskriterien des Thoraxbereichs lässt sich mit Hilfe eines Becken-Versatzes in der Belastungs-Barriere eine Verringerung fast aller Werte erreichen. Darüber hinaus steigen die Verletzungskriterien des Beckenbereichs durch den Einsatz der gestuften Beckenbarriere nicht oder nur minimal an. Es wird gezeigt, dass eine vorzeitige Belastung des Beckens beim Seitenaufprall tatsächlich zu einer Verringerung der Verletzungsgefahr für den Thorax führen kann. Über eine Umsetzung dieser Erkenntnis bei der Ausstattung der Fahrgastzelle sollte bei der Entwicklung neuer Fahrzeuge nachgedacht werden. Durch den Einsatz des Mensch-Modells kann zusätzlich die Verletzungsmechanik untersucht werden. So erkennt man z.B., dass die hier auftretenden Rippenfrakturen hauptsächlich durch den Kontakt mit dem Oberarm verursacht werden. Im Anwendungsbeispiel lässt sich der Mechanismus der Aortenruptur sehr gut nachvollziehen. Es wird gezeigt, dass sich das Mensch-Modell HUMOS eignet, in Crash-Simulationen den Dummy zu ergänzen. Man bekommt so die Möglichkeit, die passive Sicherheit von Fahrzeugen weiter zu verbessern. Mit Hilfe des Mensch-Modells können Fragen geklärt werden, die mit einer technischen Messpuppe, dem Crashtest-Dummy, nicht beantwortet werden können. Doch obwohl das Mensch-Modell bereits eine Fülle von Möglichkeiten der Verletzungs-Vorhersage zulässt, müssen z.B. Materialparameter der Organe und Knochen noch eingehender untersucht und in den Material-Modellen des HUMOS-Modells umgesetzt werden.