Mit dem Aufkommen neuer Sitzpositionen in Kraftfahrzeugen mit zunehmender Zahl an automatisierten Fahrfunktionen werden neue Werkzeuge und Methoden geschaffen, welche in der Entwicklung von passiven Sicherheitsmaßnahmen für diese neuen Konfigurationen helfen sollen. Ein solches Werkzeug sind Modelle des menschlichen Körpers auf Basis der Finite-Elemente-Methode, kurz Menschmodelle genannt. Sie haben gegenüber traditionellen anthropomorphen Testgeräten, auch als Crashtest-Dummys bezeichnet, den Vorteil, dass sie nicht auf eine bestimmte Belastungsart beschränkt sind. Während für einen Frontalaufprall, einen Seitenaufprall und einen Heckaufprall jeweils ein anderer Dummy verwendet werden muss, kann ein Menschmodell für alle drei Belastungsarten eingesetzt werden. Darüber hinaus haben Menschmodelle das Potenzial, dort genutzt zu werden, wo kein physischer Dummy eingesetzt werden kann. Ein solches Belastungsszenario ist in potenziellen Unfällen in zurückgelehnten Sitzpositionen zu finden. Hier können mit Menschmodellen verschiedene Konzepte und Konfigurationen untersucht werden. Eine Herausforderung für Dummys und Menschmodelle liegt darin, dass sie validiert sein müssen, um zuverlässige Prädiktionen zu erlauben. Für den Fall der Nutzung von Menschmodellen zur Untersuchung der Belastungen der Lumbalwirbelsäule in zurückgelehnten Sitzpositionen wird ein hierarchischer Validierungsprozess vorgeschlagen. Die erste Validierungsebene umfasst dabei die Zwischenwirbelscheiben, die zweite umfasst das Bewegungssegment. Die gesamte Lumbalwirbelsäule stellt das dritte Validierungsniveau dar und das Ganzkörpermodell das vierte. Das Ziel dieser Vorgehensweise ist es, mit Modellen geringerer Komplexität zu beginnen, auf diesen aufzubauen, um die zusammengesetzten Modelle zu analysieren und das aus den einfacheren Modellen erlangte Verständnis zu nutzen, um die Unsicherheiten in den größeren Modellen zu eliminieren.
In Kapitel 3 wird die durchgeführte Validierung unter Nutzung der Daten von Newell et al. [84] beschrieben. Es wurde untersucht, wie sich die Zwischenwirbelscheiben von fünf Menschmodellen unter Kompression verhalten. Die genutzten Experimente umfassten das axiale Komprimieren der Zwischenwirbelscheiben in einer Universalprüfmaschine bei einer Kompressionsrate von 1/s. Die fünf untersuchten Modelle waren THUMS v3 TUC (THUMS v3), THUMS v4.01 (THUMS v4), THUMS v5.02 (THUMS v5), GHBMC v4.5-D (GHBM) und ViVa 2016 (ViVa). Eine weit verbreitete Methode zum Vergleich von Antwortkurven beim Vorliegen von Ergebniskorridoren, die Correlation Analyse (CORA), welche dimensionslose Bewertungszahlen liefert, wurde genutzt. Das Modell mit dem besten CORA-Ergebnis war THUMSv3 mit einem Wert von 0,74, gefolgt vom Modell THUMSv5 mit einem CORA-Wert von 0,68. Der hohe Wert für das Modell THUMSv3 ergibt sich, da seine Antwortkurve die mittlere experimentelle Antwortkurve kreuzt, während jene von THUMSv5 mit einem gleichmäßigen Abstand der experimentellen Kurve folgt. Deshalb wurde THUMSv5 als Modell mit dem besten Zwischenwirbelscheibenverhalten eingeordnet. Dies ist gültig unter den Belastungsbedingungen der Experimente. Zum Ausschluss generell ungeeigneter Modellantworten in diesem Lastfall wurden die experimentellen Ergebnisse im Interquartilsabstand mit den Modellergebnissen verglichen. Da sich in allen Fällen zumindest eine teilweise Uberdeckung ergab, wurde kein Modell als ¨ Ausreißer bzw. als generell ungeeignet für die weiteren Untersuchungen bewertet.
In Kapitel 4 wird die Untersuchung von Bewegungssegmenten als nächsthöherer Komplexitätsstufe beschrieben. Die Bewegungssegmente bestehen aus einer Zwischenwirbelscheibe, den beiden angrenzenden Wirbeln, sowie dem Ligamentum longitudinale anterius, dem Ligamentum longitudinale posterius, dem Ligamentum interspinale, dem Ligamentum supraspinale den Ligamenta flava, und den Ligamenta intertransversaria. Für diese Untersuchung wurden die Ergebnisse der Experimente von Christou [25] als Grundlage verwendet. Jene Experimente wurden mit Hilfe eines Fallturms durchgeführt, um einen Beschleunigungspuls auf das Bewegungssegment aufzuprägen und an einem Aufnehmer unterhalb der Probe die übertragene Kraft aufzuzeichnen. Die Simulationsergebnisse wurden nicht mit der CORA-Methode bewertet wegen der zu geringen Zahl vorliegender experimenteller Ergebnisse für das Erstellen von Kurvenkorridoren. Stattdessen wurden die Maximalkräfte zwischen Simulation und Experiment verglichen. THUMSv3 wies die größte Ubereinstimmung mit ¨ den experimentellen Werten auf. Alle anderen Modelle zeigten eine konservative Abschätzung dessen, was in den Experimenten beobachtet wurde. Uber die ¨ numerische Deaktivierung des Kontakts zwischen den Wirbeln wurde die Situation mit entfernten Facettengelenken simuliert. Dabei überträgt nur die Zwischenwirbelscheibe Kräfte und Ergebnisse ähnlich zu denen in Kapitel 3 wurden berechnet. Der Unterschied in den Simulationen mit und ohne Facettengelenkkontakt stellt die Bedeutung der Gelenke in der untersuchten Bewegungssegmentbelastung heraus. Der groben Vernetzung der Modelle wird hier die Bewegungsunterdrückung und künstliche Gelenksteifigkeitserhöhung zugeschrieben. Die Verwendung eines Fallturms in den Experimenten führte zu zusätzlichen Unsicherheiten in der numerischen Modellierung der Versuche. Experimente mit Universalprüfmaschinen erlauben im Vergleich deutlich höhere Konfidenz für die Modellvalidierung, weil sie einfacher beschrieben werden können und zu einem Grad, den Simulationen erfordern, dokumentiert werden können.
Für Kapitel 5 wurden Experimente an der gesamten Lumbalwirbelsäule von Demetropoulos [33] und Stemper et al. [109] als Basis für die Simulation von quasistatischer und dynamischer Kompression sowie quasistatischer Flexion genutzt. In Belastungen der Zwischenwirbelscheiben und Bewegungssegmente ist die Orientierung der Proben relativ zur Orientierung des Versuchsaufbaus von Bedeutung. Bei Belastungen der gesamten Lumbalwirbelsäule kommt die Orientierung der Wirbelkörper in den einzelnen Proben hinzu, welche als Wirbelsäulenhaltung bezeichnet werden. Hierzu wurde eine eindeutige Beschreibung zum Vergleich mit Simulationsmodellen vorgeschlagen. Für die Untersuchung der Lumbalwirbelsäulenbelastung wurden vier verschiedene Haltungen der THUMSv5-Wirbelsäule betrachtet: Die Haltung, in der das Modell ausgeliefert wird, die aus einer Positionierung des Modells in zurückgeneigter Sitzlehne extrahierte Haltung sowie aus dieser Haltung abgeleitet eine stärkere Extension und eine stärkere Flexion. Für die quasistatische axiale Kompression liegen die Ergebnisse aller Modelle mit Ausnahme THUMSv4 im experimentellen Ergebniskorridor, was sich mit den Erkenntnissen zu den Zwischenwirbelscheiben deckt. Für die quasistatische Flexion wurde für alle Modelle eine zu steife Antwort beobachtet. Dass die Validierung unter Biegung weitere Aufmerksamkeit benötigt deckt sich mit den Erkenntnissen zur Bewegungssegmentvalidierung. Für die dynamischen Fallturmtests aus Stemper et al. [109] wird das kinematische Verhalten, beschrieben durch die Winkeländerungen der Zwischenwirbelscheiben, am besten durch das Modell THUMSv5 abgebildet. Dies wird mehr der initialen Modellgeometrie als anderen Parametern zugeschrieben, was die Antworten der in der Haltung variierten Varianten dieses Modells unterstützen. Die an einem Aufnehmer unter der Probe gemessene Kraft wird von den Modellen generell überschätzt, was großteils einer Oszillation zugeordnet wird, welche in den Experimenten zwar auch vorhanden ist, in der Simulation aber sehr stark ausgeprägt ist.
Die in Kapitel 6 beschriebene Validierung nutzte die Freiwilligen-Schlittenversuche von Mühlbauer [77] als Basis. In jenen Versuchen wurde ein Freiwilliger in einer aufrechten Sitzposition sowie unter verschiedenen Rückenlehnenwinkeln untersucht. Für diese Niedriggeschwindigkeitspulse musste eine deutlich längere Simulationszeit berücksichtigt werden. Zusätzlich musste die Erdbeschleunigung abgebildet werden, da sie Lasten in der Größenordnung der Belastungen durch die Schlittenpulse verursachte. Die globale Kinematik der Menschmodellsimulationen unterschied sich von den Beobachtungen in den Freiwilligenversuchen. Diese Unterschiede können durch die Abbildung der Gurtvorspannungen sowie limitierter Validierung der Weichgewebe für Anwendungen der Menschmodelle im Niedriggeschwindigkeitsbereich verursacht werden.
Für Kapitel 7 wurde die zurückgeneigte Sitzposition bei hohen Geschwindigkeiten betrachtet mit Fokus darauf, wie verschiedene Anfangshaltungen die Maximalkräfte und die Kinematik der Lumbalwirbelsäule beeinflussen [35]. Unterschiede in der Haltung verursachten Unterschiede in den Kräften und der Kinematik der Lumbalwirbelsäule, während die Auswirkung auf die externe Kinematik des gesamten Körpers minimal blieb. Da es bislang keine breit akzeptierten Grenzwerte für die Belastung der Lumbalwirbelsäule von Fahrzeuginsassen gibt, werden weitere Untersuchungen benötigt zur Entwicklung eines Kriteriums, welches den gleichen Schutz der Insassen wie in bereits existierenden Lastfällen erlaubt. Ein solches Kriterium muss sitzkonfigurationsunabhängig sein, da viele zukünftige Farzeuginnenraumszenarien nicht nur sehr verschieden voneinander, sondern auch potenziell modular aufgebaut sein werden, so dass herkömmlich definierte Sitzpositionsbewertungen in den neuen Lastfällen reevaluiert werden müssen. Vor dem Hintergrund des beobachteten Einflusses der Wirbelsäulenhaltung und -anatomie auf das Verhalten in zurückgeneigter Sitzposition wird erwartet, dass Menschmodelle eine bedeutende Rolle dabei spielen werden, Verletzungsrisiken in derartigen Insassenlastfällen zu verstehen. Um Menschmodell-basierte Risikobewertung vollständig zu erlauben, werden weitere experimentelle Daten benötigt, insbesondere auf der Ebene der gesamten Lumbalwirbelsäule und auf der Ebene des gesamten Körpers.
With the advent of new seating positions for vehicles with more and more autonomous driving functions, new tools and methods are being developed to aid in the development of passive safety features in these new configurations. One such tool are the Human Body Models (HBMs), which improve on the traditional Athropomorphic Testing Devices (ATDs), also known as crash test dummies, in that the HBM are not confined to certain loading scenarios. Whereas a different dummy must be used for a front crash, a side crash, and a rear crash, a single HBM can be used for all three. Additionally HBMs have the potential to be used where currently no physical ATD can be utilized. One such loading scenario is in potential impacts involving reclined seating positions, where HBMs can be used to evaluate a range of concepts and configurations. The challenge with using both ATDs and HBMs is that they must be validated in order to provide reliable predictions. For the case of using HBMs to investigate loading of the lumbar spine in reclined seating scenarios, a hierarchical validation process is proposed. The first level of validation will be performed on the intervertebral discs, the second level will be applied to a single functional spinal unit, the third level will be the complete lumbar spine, and the fourth level the full-scale HBM. The aim of this approach is to start with models which have lower complexity and build upon those models until the full models with increased complexity can be analyzed, with the goal being that the understanding derived from the simple models will remove uncertainty in the larger models.
In Chapter 3 a validation was done using experimental data from Newell et al. [84] to evaluate five Human Body Models for how well their respective intervertebral discs (IVDs) performed in compression. These experiments involved compressing IVDs axially using a material testing machine at a rate of 1s⁻¹. The five models investigated were the THUMS v3 TUC (THUMS v3), THUMS v4.01 (THUMS v4), THUMS v5.02 (THUMS v5), the GHBMC v4.5-D (GHBM), and the ViVa 2016 (ViVa). As a standard response curve comparison method, the Correlation Analysis (CORA) method was used to provide a dimensionless rating. The model with the best CORA score was the THUMS v3 with a CORA of 0.74, followed by the THUMS v5 with a CORA score of 0.68. The high CORA score from the THUMS v3 is due to the THUMS v3 response crossing the mean experimental curve, whereas the THUMS v5 evenly follows the experimental response with a stiffer offset. Therefore the THUMS v5 is considered to have the best IVD response, and is valid to be used in the regimes in which the experiments were conducted. Looking to see if any of the models are unfit for application in this loadcase, the interquartile ranges were compared between the experiments and each of the five models. As all of the models have at least some overlap with the experimental corridors, none can be considered an outlier, and as such unqualified for further investigation.
In Chapter 4 functional spinal units (FSUs) were investigated as being one hierarchical level more complex than the IVDs investigated in Chapter 3. The FSU consists of a single IVD as well as the two vertebral bodies (VBs) adjacent to the disc, and the ligaments connected to both VBs. These ligaments include the anterior and posterior longitudinal ligaments, the supraspinous ligaments, the interspinous ligaments, the ligamenta flava, and the intertransverse ligaments . This investigation was done using experiments performed by Christou [25] as a reference. These experiments were performed using a drop tower to apply a pulse to the FSU, and then measuring the force transmitted to a transducer located below the specimen. For these simulations no CORA analysis was performed as not enough experiments were performed to be able to construct the necessary corridors. Instead peak force was compared between the experiments and simulations. Again THUMS v3 has the closest response when compared with the experimental values, and all other HBMs show a conservative estimate of what was observed in the experiments. By numerically disabling contact between the two VBs, a situation where the facet joint has been excised is simulated. For this configuration only the IVD is transmitting force, and results similar to those found in Chapter 3 were observed. The difference between the simulations with and without facet joint contact shows the importance of the facet joints in FSU loading. The coarse mesh geometry in these models leads to blocking which artificially increases the stiffness of the joints. The use of a drop tower in the physical experiments also led to an increase in uncertainty in the modelling of the simulation experiments. Material testing experiments have much higher confidence levels for a validation, as they can be more easily described and documented to the degree of detail which validation simulations require.
In Chapter 5 whole lumbar spine reference experiments from Demetropolous et al. [33] and Stemper et al. [109] were taken as the basis for both quasi-static and dynamic compression, as well as quasi-static flexion bending. For the IVD and FSU loadcases, the orientation of the specimen relative to the orientation of the testing apparatus is important, but the for the whole lumbar spine reference experiments, the orientation of the vertebrae in a single specimen also becomes important, this is referred to as the specimen posture, for which a non-ambiguous description was proposed. For the whole lumbar spine investigations four separate THUMS v5 postures were studied: the posture as delivered, a posture extracted from the THUMS v5 in a reclined seating setup, the reclined posture extended to be more lordotic, and the reclined posture flexed to be more kyphotic. For the quasi-static axial compression case [33], all of the HBMs bar THUMS v4 lie within the experimental corridor, in line with what was observed for the IVDs. For the quasi-static flexion bending load case however, all of the HBMs are too stiff. That the bending response needs to be further validated was also seen in the FSU validation. For the dynamic drop tower tests described in Stemper et al. [109] the kinematic behavior as measured by the angular deformation of the IVDs is best matched by the THUMS v5 model. This is due more to the initial geometry of the the THUMS v5 than to other modelling parameters, as can be seen in the response of the other various THUMS v5 postures. The force response as measured by a transducer located below the specimen is always overestimated by the HBMs, largely due to an oscillatory behavior, that although present in the experimental data, is greatly exaggerated in the simulation results.
In Chapter 6 the volunteer sled tests performed by Muehlbauer [77] were used as a validation basis. In these tests a single individual was tested in an upright seating position as well as varying angles of recline. For these low speed pulses, the simulation time had to be increased to capture all of the HBM movement. Additionally a gravity settling phase had to be included because gravity loading was found to be on an equal order of magnitude to the loading from the applied pulse. The global kinematics of the HBM simulations differed from what was observed in the Volunteer testing. These differences can be due to the modelling of belt prestress, and the lack of validation of the soft tissues for low speed HBM applications.
Chapter 7 looks at a high speed reclined seating configuration, with a focus on how various initial postures effect the peak forces and kinematics in the lumbar spine [35]. Different postures were found to have different lumbar spine kinematics and forces, while at the same time having only minimal affect on the global external occupant kinematics. As no widely accepted limit currently exists for lumbar spine loading in vehicle occupants, research is needed to define a criterion which protects occupants to the same level for which they are protected in other existing loading scenarios. This criterion must be developed to be seating configuration agnostic as many future interior scenarios are not only very different from one another, but also potentially modular, meaning that the traditionally defined seating position metrics must be reevaluated for use in these new load cases.
Given the observed influences of the spine posture and anatomy on the response in reclined seating, HBMs are expected to play a major role in understanding injury risks in such occupant load cases. In order to fully enable HBM-based risk assessment, more experimental data is needed, in particular on whole-lumbar spine level and full-scale level.