Realistische anatomische Modelle sind ein wichtiges Instrument in der Forschung und Lehre und werden in der Entwicklung neuer Medizinprodukte, im Anatomieunterricht und in der chirurgischen Ausbildung eingesetzt. Die Herstellung anatomischer Modelle mit realistischen mechanischen Eigenschaften ist jedoch aufgrund des inhärent komplexen mechanischen Verhaltens von Weichgeweben eine Herausforderung.
In dieser Dissertation wurden die mechanischen Eigenschaften von Weichgewebe ausführlich analysiert, mit dem Ziel haptische Eigenschaften in anatomischen Modellen besser abbilden zu können. Mit speziellem Fokus auf Leberparenchym, wurden verschiedene experimentelle und Datenanalysemethoden entwickelt, um nichtlineare und viskoelastische Eigenschaften zu charakterisieren. Dabei wurde frische menschliche Leber, frische Tierleber, Thiel-einbalsamierte menschliche Leber und verschiedene künstliche Ersatzmaterialien evaluiert.
Einerseits wurde die Palpation von Weichgewebe mittels Makroindentation nachgeahmt, um objektiv bewerten zu können, wie sich Materialien anfühlen. Diese Methode ermöglicht den effizienten Vergleich verschiedener Materialien hinsichtlich ihrer haptischen Eigenschaften. Zur Untersuchung des nichtlinearen elastischen Verhaltens wurden die Materialien langsam eingedrückt und Steifigkeiten für verschiedene Eindringbereiche definiert. Unter Beruc¨ ksichtigung von Viskoelastizität wurde die Kraftrelaxation des Materials während eines Zeitraums konstanter Indentation gemessen. Die Abnahme von Kraft über Zeit wurde mittels rheologischem Model beschrieben und die frequenzabhängige Speichersteifigkeit, Verluststeifigkeit und Verlustfaktor wurden berechnet. Durch den Vergleich der resultierenden mechanischen Eigenschaften verschiedener kunstlic ¨ her Materialien mit Lebergewebe, unter Verwendung des neu eingeführt en “taktilen Ähnlichkeitsfehlers”, wurde ein weiches Silikon gefunden, das hinsichtlich der getesteten Eigenschaften, Leber am ähnlichsten war.
Andererseits wurden Zugversuche mit ähnlichen Prüfprotokollen (Rampenbelastung und Spannungsrelaxation) durchgefuhrt ¨ , um Eigenschaften auf Materialebene zu definieren. Der Spannungs-Dehnungs-Verlauf in Belastung und Entlastung der Rampe wurden mit einem pseudohyperelastischen Veronda-Westmann Modell approximiert und es wurden dehnungsspezifische Elastizitätsmodule gefunden. Basierend auf Spannungsrelaxation, wurden die viskoelastischen Eigenschaften als Speichermodul, Verlustmodul und Verlustfaktor ausgedrüc¨ kt. Zusätzlich wurden äquivalente viskoelastische Eigenschaften mit dynamischen zyklischen Tests gemessen, um Relaxation und zyklische Tests miteinander zu vergleichen. Die Ergebnisse zeigten, dass Spannungsrelaxation und zyklische Tests vergleichbare viskoelastische Ergebnisse ergaben, solange nichtlineares Verhalten berücksichtigt und Tests bei gleichem Dehnungsniveau durchgeführt wurden.
Mit diesen experimentellen Methoden wurden neue Erkenntnisse über die viskoi elastischen Zugeigenschaften von menschlicher und tierischer Leber gewonnen. Somit konnten Unterschiede zwischen menschlicher und tierischer Leber analysiert und durch ihre charakteristischen histologischen Morphologien erklärt werden. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass die Thiel-Konservierung mit einer Versteifung des Gewebes und vermindertem viskosen Verhalten verbunden ist.
Testergebnisse der Makroindentation zeigten, dass durch die Kombination verschiedener Materialien, mechanische Eigenschaften adaptiert werden können, um Lebergewebe besser zu imitieren. Um solche Materialkombinationen zu entwerfen, wurde ein viskoelastisches Mori-Tanaka-Modell (vMTM) zur Homogenisierung viskoelastischer Eigenschaften von Materialien mit Matrix-Einschluss-Morphologien entwickelt. Zur Validierung des vMTM wurden Proben getestet, die aus Kombinationen zweier weicher Silikonen mit variierendem Volumenanteil bestanden, und mit den Modellvorhersagen verglichen. Fur ¨ die Anwendung des vMTM wurden viskoelastische Materialeigenschaften verschiedener weicher Silikonelastomere als Eingangsößen definiert. Die dabei resultierenden homogenisierten Eigenschaften wurden mit Lebereigenschaften aus den Zugversuchen verglichen. Weiters, wurde untersucht inwiefern die homogenisierten Modelleigenschaften sich mit anderen Weichgeweben aus der Literatur decken.
Schließlich wurden dadurch geeignete Mikrostrukturen identifiziert, die sehr ähnliche viskoelastische Eigenschaften wie bestimmte biologische Weichgewebe aufweisen. In Zukunft, können diese Mikrostrukturen, dank kontinuierlicher Innovationen im Bereich 3D-Druck von weichen Materialien, hoffentlich durch additive Fertigung hergestellt werden.
Diese Dissertation bietet neue Einblicke in die mechanischen Eigenschaften des Leberparenchyms und präsentiert eine effiziente Strategie für das Materialdesign von realistischen anatomischen Modellen, basierend auf mikromechanischer Homogenisierung. Die Ergebnisse dieser Arbeit können somit dazu beitragen, dass realistischere anatomische Weichgewebemodelle produziert werden, zum Beispiel für Anwendungen in der medizinische Ausbildung
Realistic anatomical models are an important tool in research and education, used for aiding the development of new medical products and procedures, for teaching anatomy, and for surgical training. However, producing anatomical models, exhibiting accurate mechanical properties, is challenging due to the inherently complex mechanical behaviour of soft tissues.
In this dissertation, it was assessed which properties need be be considered, in the context of describing what soft tissues actually feel like. Focussing especially on liver parenchyma, different experimental and data analysis methods were developed, considering non-linear and viscoelastic properties of fresh human liver, fresh animal liver, Thiel embalmed human liver, and different tissue-mimicking artificial materials.
On the one hand, macroindentation, mimicking soft tissue palpation, was applied for objectively assessing what materials feel like, allowing easy comparison between different materials. For examining the non-linear elastic behaviour, the materials were slowly indented and stiffness was defined for different levels of indentation. Considering viscoelasticity, force relaxation of the material was measured duringaperiod of constant indentation. The decline of force over time was described with rheological modelling and frequency-dependent storage stiffness, loss stiffness, and loss tangent were calculated. By comparing resulting mechanical properties of different artificial materials with liver tissue, using the newly introduced “tactile similarity error”, a soft silicone elastomer was found that resembled liver best in terms of the tested properties.
On the other hand, tensile tests were conducted with similar testing protocols (ramp loading-unloading and stress relaxation) to define properties on a material level. The ramp loading-unloading stress-stretch data was analysed with a pseudohyperelastic Veronda-Westmann model and strain-specific tensile moduli were found. Viscoelastic properties were expressed in terms of storage modulus, loss modulus, and loss tangent, based on the stress relaxation data. Additionally, equivalent viscoelastic properties were measured with dynamic cyclic testing, in order to compare relaxation and cyclic testing. The results showed that stress relaxation and cyclic testing yielded comparable viscoelastic results, as long as non-linear behaviour was considered and tests were conducted at the same level of strain.
Based on these experimental methods, novel insight into tensile viscoelastic properties of fresh human, animal, and Thiel preserved liver was gained. Thus, differences between human and animal liver could be analysed and explained by their characteristic histological morphologies. Furthermore, Thiel preservation was found to be associated with tissue stiffening and decreased viscous behaviour.
Results from testing composite materials in macroindentation, revealed that combining different materials on a structural level isapromising strategy for fine-tuning mechanical properties to better match liver tissue. In order to design such composites, a viscoelastic Mori-Tanaka model (vMTM) for homogenising effective properties of materials, exhibiting matrix-inclusion morphologies with soft viscoelastic phases, was developed. The vMTM was validated experimentally by testing samples, consisting of two soft silicones with varying inclusion volume fractions, for comparison with the vMTM predictions. Applying the developed vMTM, frequency dependent viscoelastic material properties of various soft silicone elastomers were then used as input quantities. The thereby resulting effective properties were compared to those of human and animal fresh liver from the tensile tests. Furthermore, it was assessed how well the effective properties matched other soft biological tissues, whose properties were previously reported in literature.
Finally, suitable microstructures of matrix-inclusion-type were identified, which exhibited very similar viscoelastic properties to certain soft biological tissues. These microstructures can hopefully be produced via additive manufacturing in future, thanks to recent developments in the field of soft material 3D printing.
The work, presented in this dissertation, provides new insight into the mechanical properties of liver parenchyma, based on rigorous experimental evaluation and computational analysis. Furthermore, microstructural material design for realistic anatomical models was presented, based on the viscoelastic Mori-Tanaka model. Therefore, the results of this dissertation can contribute to the production of more realistic soft tissue models, for instance for applications in medical education.